Unter dem Titel „Unsichtbare Künstler und Theaterschaffende“ gewährte das Theater Lübeck den Mitgliedern der GTL einen exklusiven Einblick in die vielfältige Arbeit von Dramaturginnen und Dramaturgen und wie sie das Theater maßgeblich prägen.

Der Vorsitzende der GTL, Axel Wuttke, begrüßte über 30 Mitglieder, bevor Astrid Reibstein, Gast-Dramaturgin der „Sonny Boys“, die Doppelfunktion als Moderatorin und Dramaturgin übernahm. Sie wurde von Dr. Jens Ponath, dem leitenden Dramaturgen für Musiktheater und Konzerte, begleitet.

Fotos: Hans-Peter Förster

Zu Beginn der Veranstaltung lud Astrid Reibstein das Publikum ein, Fragen zu stellen und sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen. „Was macht eigentlich eine Dramaturgin?“, sei eine der häufigsten Fragen, die ihr zum Beruf gestellt werde. Daraufhin wandte sie sich an ihren Kollegen und fragte: „Hast du auch eine Standardantwort?“ Die Dialogrunde war eröffnet.

„Tatsächlich nicht…“, antwortete Dr. Jens Ponath und erklärte: „Es gibt wenig, worauf man konkret verweisen kann – außer vielleicht auf Programmhefte, aber das finde ich wenig spannend.“ Es sei daher oft schwierig, den Beruf in wenigen Worten zu beschreiben, da er so viele Facetten habe. „Man kann ihn nicht auf einen Nenner bringen“, schloss er seine Ausführungen zur Eingangsfrage.

„Genau!“, reagierte Astrid Reibstein begeistert, „Das ist schon ein erstes Kennzeichen der Dramaturgie. Ich finde das sehr treffend. Ich sehe mich als Beraterin, des Publikums, der Regie, der Spartenleiter und der Schauspielenden – stets mit der Frage verbinden: Wie kann ich unterstützen?“ Mit einem Augenzwinkern ergänzen: „Wir dürfen kluge Sachen sagen, aber nicht entscheiden.“

Dramaturginnen und Dramaturgen sind vor allem dafür da, in die Tiefe zu gehen, sowohl was die Stücke als auch deren Hintergründe betrifft. In der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sei es nicht ungewöhnlich, dass sie manchmal mit Augenrollen konfrontiert werden, weil ihre Antworten oft länger ausfallen als erwartet. „Wir Dramaturg:innen finden, dass wir den Dingen gerecht werden müssen, auch wenn das manchmal ausführlich ist“, so Astrid Reibstein, mit über 20 Jahren Berufserfahrung in diesem Bereich.

„Wir haben zwei große Aufgabenbereiche“, erklärte sie weiter. „Die eine erfolgt im Hintergrund: Wir erforschen den Stoff und befassen uns mit den Inhalten, nur so können wir eine fundierte künstlerische Beratung bieten. Die andere Aufgabe besteht darin, die Informationen zu liefern, die nichts mit Werbung zu tun haben. Das können Texte für die Website, Beiträge für das Programmheft oder wie heute auch Informationsgespräche sein.“

Dr. Jens Ponath ergänzte, dass der Beruf auch viel mit Suche zu tun habe: „Es braucht ein gewisses Gefühl, um zu verstehen, wie Künstler denken, mit denen man zusammenarbeitet. Das ist eines der Geschenke dieses Berufs – man kann mit so vielen verschiedenen Menschen arbeiten.“ Er sprach von seiner Erfahrung in verschiedenen Bereichen des Theaters: „Ich hatte das Glück, alle Sparten des Theaters kennenzulernen: vom Kinder- und Jugendtheater über Schauspiel bis hin zu Musiktheater und Konzerten. Die Herangehensweisen der Künstler in diesen Bereichen sind so unterschiedlich, dass Dramaturgie im Tanztheater etwas völlig anderes ist als im Musiktheater oder Schauspiel.“

Eine Zwischenfrage aus dem Publikum beschäftigte sich mit der Rolle des Theaters im Hinblick auf die Erwartungen des Publikums: Muss das Theater immer etwas tun, um zu gefallen? Oder sollte es auch in andere Richtungen gehen? „Was heißt eigentlich ‚gefallen‘?“, lautete die Gegenfrage von der Bühne. „Ein Theaterabend ist dann gescheitert, wenn das Publikum sich langweilt“, lautete die Antwort, gefolgt von einer vertieften Diskussion über die Erwartungen an das Theater und seine Rolle in der Gesellschaft.

Die weiteren Fragen aus dem Publikum zeigten das große Interesse an den Herausforderungen und Facetten dieses Berufs. In einem abschließenden Gespräch bat Astrid Reibstein ihren Kollegen um ein persönliches Highlight aus der jüngeren Vergangenheit: „Gab es ein Erlebnis, bei dem du sagst: Das ist es, weshalb ich meinen Beruf so sehr liebe?

„Die Passagierin“, antwortete Dr. Jens Ponath ohne Zögern. „Das Stück hat das Gefühl vermittelt, genau zur richtigen Zeit zu kommen. Es hat die Menschen erreicht und zu Gesprächen angestoßen – das war etwas, das mich wirklich beglückt hat. Es war ein Stück, das in den 1960er Jahren in der Sowjetunion geschrieben wurde, dann in der Schublade verschwand und nun endlich seine Bühne fand. Es war faszinierend, diese Entdeckung zu begleiten.“

Mit diesen Worten endete die Veranstaltung, die mit großem Applaus und einem Dank an das aufmerksame Publikum ihren Abschluss fand.