Was gehört zu den Aufgaben einer Souffleuse?

Wenn ein Schauspieler oder eine Sängerin ihren Text vergessen hat, dann hilft bei einer Vorstellung die Souffleuse. Aber singt die Souffleuse im Musiktheater dann auch? Muss sie den Text auswendig können? Und was gehört eigentlich noch alles zu den Aufgaben im Gebiet der Soufflage?

Aus einem Stelleninserat unseres Theaters: „Wir erwarten Berufserfahrung im professionellen Opernbereich, musikalische und Notenkenntnisse, sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache, eine kräftige und belastbare Stimme sowie eine akzentfreie Aussprache und gute Artikulation, Sensibilität und Einfühlungsvermögen in den Probenprozessen sowie – mindestens phonetisch – Kenntnisse im Italienischen, Französischen, Englischen und Russischen“
Quelle: Stellensinserat Souffleuse/Souffleur vom 30.12.2021.

Im März gab es für GTL-Mitglieder ein weiteres Exklusiv-Angebot des Theaters in Form einer Gesprächsrunde. Zwei  Souffleusen gaben Einblick in ihre anspruchsvolle, zeitintensive und für das Publikum „unsichtbare“ Arbeit neben der Bühne und im Souffleusekasten.

Mehr darüber im folgenen Beitrag mit Teilnehmer-Echo und einer Zuschrift:

Das war gestern ein wunderbarer Abend!
Die beiden Damen haben so begeistert und lebendig aus ihrem Berufsalltag erzählt – das war sehr informativ und unterhaltsam. Es hat mir aber auch gezeigt, wieviel Zeit und Arbeit auch von dieser Seite in einer Produktion steckt. Vielleicht könnte man ähnliches ja auch mit anderen Berufen am Theater durchführen.
Wir freuen uns schon auf den nächsten Termin.

Teilnehmer-Echo, Natascha Höfs
Das war ein ganz besonderer Abend für uns !
Abwechslungsreich und amüsant !
Die beiden erfahrenen Souffleusen hatten sichtlich Freude daran, die Anwesenden auch mit
Anekdoten vor allem aber vielen fachlichen Details über ihre Arbeit „im Untergrund“
zu informieren. Besonders interessant waren die Unterschiede in der Soufflage
zwischen dem Musiktheater und dem Schauspiel. Wir haben Hochachtung.
Teilnehmer-Echo, Harald Rentsch

Lieber Herr Förster,
oh, bei diesem Abend wäre ich gerne dabeigewesen!
Wie wunderbar, dass Sie den Souffleusen eine Bühne geboten haben.
Ich freue mich sehr, dass meine Verse so weit in den Norden reisen …

Zuschrift aus Würzburg, Cornelia Boese

Was gehört zu den Aufgaben einer Souffleuse?

Begrüßt wurden die zahlreichen Mitglieder von unserem Vorsitzenden, Axel Wuttke, der die Akteure des heutigen Abends vorstellte.

Cornelia von Schwerin, Leitende Schauspieldramaturgin, stellte die anwesenden Souffleusen vor. Eindrucksvoll schilderten Ursula Mührer, Souffleuse Musiktheater (Gast) und GTL-Mitglied sowie Gabriele Eichler, Souffleuse Schauspiel, die Aufgaben, die sie während einer Inszenierung bis zur letzten Aufführung in den jeweiligen Sparten zu beachten haben. Alle waren überrascht, wie früh die Mitarbeit bei der Vorbereitung einer Inszenierung beginnt.

Ursula Mührer zitierte zu Beginn der Veranstaltung ein Gedicht von Cornelia Boese, einst Souffleuse heute Dichterin. Der Beifall zum Ende „Und wenn sie nicht gestorben ist…“ zeigte die Begeisterung zu dem vorgetragenen Text.

Ursula Mührer und Gabriele Eichler haben uns Vereinsmitgliedern ihre Arbeit gut übersetzt: die Aufgaben, welche bereits mit der Inszenierung eines Stücks beginnen oder wie sie den gesamten Text aufnehmen, einschließlich der Kunstpausen. Weshalb das Verständnis eines Textes in den verschiedenen Sprachen wichtig ist, wurde uns an Beispielen dargestellt.

Die darstellenden Künstlerinnen und Künstler müssen täglich enorme Textpassagen auf Abruf haben, werden doch gerade im Schauspiel mehrere Stücke parallel aufgeführt. Das Ensemble ist erleichtert, wenn die Souffleusen anwesend sind. Es gibt ihnen Sicherheit, auch wenn sie nicht immer gebraucht werden.

Es wurden viele Fragen gestellt und ausführlich wie unterhaltsam beantwortet. Vor dem Hintergrund, dass Souffleusen mehr Beachtung verdienen lautete die letzte Frage: Warum werden die Souffleusen – zumindest bei den Premieren – nicht beim Schlussapplaus mit auf die Bühne geholt? Sie haben es verdient.

Beitrag, W. Hüpping
Fotos: Hans-Peter Förster

Eine ganz besondere Freude:

Wir erhielten die Zusage der Dichterin Cornelia Boese, das an diesem Abend von Ursula Mührer vorgetragene Gedicht „Es war einmal eine Souffleuse“ hier zu veröffentlichen. Dies erschien 2001 in deren ersten Gedichtband „Ich bin der unsichtbare Herrscher einer magischen Welt“. Das Mainfranken Theater Würzburg stand seinerzeit knapp vor der Schließung, was mit viel Engagement und Spendengeldern verhindert werden konnte. Schon vor Beginn des Buchverkaufs beschloss die Autorin, dass ein Euro jedes verkauften Buchs  dem Verein zur Förderung des Theaters zufließen soll. Nachdem die ersten 1.000 Bücher verkauft wurden, überreichte die Autorin dem Verein 1.000 Euro. Mit der Schlagzeile wie „Erlöse von der Souffleuse Boese“ berichtete die Presse darüber. Nach fünfzehn Jahren im Souffleusenkasten kletterte  Cornelia Boese ans Licht der Oberwelt und ist Schriftstellerin geworden. „Die Liebe zum Theater ist mir nie verlorengegangen“ schrieb sie uns. „Das kann man unter anderem im Kinderbilderbuch „Wo ist Theatrine?“ (in dem die Souffleuse eine heimliche Hauptrolle spielt) nachlesen“.

Es war einmal eine Souffleuse,
die hieß zum Zweck des Reimes Boese,
war weder neunzig, taub noch stumm,
nicht mal verbuckelt oder dumm,
sie strickte selten einen Strumpf
und hatte `nen geheimen Trumpf:
Die stillen Künste der Soufflage
empfand sie niemals als Blamage;
sie hatte den Beruf studiert,
war jung und höllisch motiviert
und froh, ein Kastengeist zu sein,
und schlief auch nie da unten ein.

Die Welt, die so was nicht verstand,
verhielt sich nicht sehr tolerant.
So mancher Mitmensch tat, als ob
Soufflier’n der lächerlichste Job
auf Erden sei und sagte: „Du
bist viel zu klug und hübsch dazu!“
Sie aber wusste keinen Grund,
warum Souffleusen hässlich und
noch blöd sein sollten obendrein
und pfiff auf Besserwisserei’n.

Doch bald wurd ihr erschreckend klar:
Wie `ne Souffleuse wirklich war,
drauf kam es überhaupt nicht an,
es zählte vielmehr nur, was man
sich vorstellte von dieser Dame –
das war für sie nicht grad Reklame.
Beim Publikum der Favorit
ist kaum die Frau, die niemand sieht!
Und weil sie so verborgen ist,
passiert’s, dass man sie oft vergisst:
Sie lebt als Unterweltphantom
mit Hochschulabschluss und Diplom,
trotz aller Qualifikation
bekommt sie einen Hungerlohn
und selten so was wie Applaus
für ihre Müh tagein, nachtaus.

Das legte sich der Flüstertüte
allmählich lastend aufs Gemüte.
Sie war, dort in ihr Loch verbannt,
nichts als Librettolieferant,
den man nur dann kurz registrierte,
wenn er nicht wunschgemäß soufflierte.
Sie hockte wie in Hausarrest
oft stundenlang im Kasten fest,
hoffte, dass jeder weiterwusste,
wenn sie einmal aufs Klo geh’n musste,
und half unschein- und unsichtbar
den Künstlern durch ihr Repertoire.

An einem Abend traf sie’s schlimm:
Ein Regisseur mit Null Benimm,
der nicht mal wusste, wie sie hieß,
die Sklavin unten im Verließ,
warf Müll hinein, hat wohl gedacht,
der Kasten wär ein Abfallschacht.
Verärgert stieß sie sich den Zeh,
doch seltsam: Es tat gar nicht weh!
Und als sie dann mit ihrer Stirne
versehentlich die glüh’nde Birne
der Leselampe noch berührte
und nicht den kleinsten Schmerz verspürte,
da wusste sie: Es ist passiert.
Sie war dematerialisiert.

Von dem Tag an soufflierte sie
ganz einfach durch Telepathie,
das ging den Ohren besser ein
als flüstern, murmeln oder schrei’n.
Die Sänger liefen stolz einher,
sie hatten keine Hänger mehr,
den Kasten hackte man entzwei,
nun war der Blick zur Bühne frei,
die Musiker schrien: „Wunderbar!“,
weil jetzt mehr Platz im Graben war,
sogar der Intendant fand’s fein,
er sparte eine Gage ein.

Und unsere Souffleusenfee
flog freien Fußes durchs Foyer,
durch Schneiderei und Malersaal,
ihr neues Dasein war genial.
Und wenn sie nicht gestorben ist,
souffliert sie grade dem Bratschist …

aus: Cornelia Boese,
Ich bin der unsichtbare Herrscher einer magischen Welt
Buchverlag Peter Hellmund, Würzburg 2001

Gedicht , Cornelia Boese